von Jörg Löwenstein.
Führungskräfte von heute stehen vor großen Herausforderungen. Zum einen gilt es mit der Komplexität und Dynamik von Märkten zurecht zu kommen, die in ihrer Entwicklung immer weniger vorhersehbar sind. Gleichzeitig erfordert eine nachwachsende Generation Mitarbeitender völlig neue Formen von Zusammenarbeit, Strukturen und Prozesse. Alte Top-Down Führungsmodelle funktionieren unter solchen Bedingungen immer weniger. Doch welche Führungsmodelle sind zukunftstauglich? Gute Erfahrungen hat Jörg Löwenstein, selbst langjährige Führungskraft und Coach aus Hamburg mit einem Ansatz bei dem Selbstführung das Zentrum bildet. Im Bericht erläutert er den Ansatz.
Sich selbst führen lernen – So fällt es leichter, andere zu führen
Leben ist Veränderung. Alles fließt. Alles verändert sich gleichzeitig. Alles ist mit allem vernetzt. Wie reagieren die Menschen in der Arbeitswelt auf diese Situation? Unternehmen und Organisationen wäre es lieb, wenn sie sich allem Neuen gegenüber aufgeschlossen zeigten, Spaß am Lernen hätten und dazu noch sehr flexibel wären. Wir beobachten das Gegenteil: Menschen wollen noch häufig eher bewahren, blicken stolz auf ihre Erfahrungen, Leistungen und Ergebnisse zurück, wollen Klarheit, Ordnung, Sicherheit. Weniger den Wandel, weil er zunächst einmal ihre innere Programmierung verändert.
Von Führungskräften wird in diesem Zusammenhang nicht nur verlangt, die neue Komplexität zu beherrschen und neue Strategien, Strukturen und Prozesse zu entwickeln. Sie sollen vor allem auch völlig neuartige Formen der Zusammenarbeit und Vernetzung kreieren und ihre Mitarbeitenden begleiten. Gerade nachwachsende Generationen, die mit anderen Gesellschafts- und Familienbildern und einem neuen Selbstvertrauen in die Unternehmen/Organisationen kommen, stellen in einem mehr und mehr vom demografischen Wandel geprägten Arbeitnehmermarkt diese Anforderungen; sie verändern damit fundamental die Ansprüche an Führungskräfte. Die herkömmliche Führungsphilosophie wird deutlich in Frage gestellt.
Wer früher von Führung sprach, meinte: Andere führen. Von oben nach unten.
Heute wird Führung mehr und mehr zur Selbstführung – mit dem obersten Führungsprinzip der Selbstverantwortung. Von innen nach außen. Andere zu führen, war schon immer (nur) ein Ersatz. Führung bereitet die (noch) fehlende oder (noch) nicht ausreichend ausgeprägte Selbstführung von Mitarbeitenden vor. Und: Führung ist stets zu begründen, weil sie in die Selbststeuerung anderer eingreift. Vor diesem Hintergrund suchen aufgeschlossene Führungskräfte selbst nach Orientierung, nach einer neuen Ausrichtung, um für sich selbst Zufriedenheit in ihrer Funktion zu erreichen, und auch, um für sich eine ausgewogene Lebensführung zu erlangen.
Die Fragen, die jede moderne Führungskraft für sich zu beantworten versucht, sind so einzigartig wie die Antworten, weil auch die Mitarbeitenden mit ihrer Persönlichkeit, ihren Lebensumständen und Rahmenbedingungen einmalig sind. Die erste Führungskraft für einen selbst ist frau/man nun einmal selber. Und nur wenn man sich seine Führungsqualitäten selbst bewusst macht, ist die Chance groß, selbstbewusst auch andere zu führen. Natürlich gibt es keine allgemein gültigen Rezepte, sehr wohl aber Methoden und Möglichkeiten, wie dieser Prozess der Selbstreflexion im Coaching begleitet und unterstützt werden kann.
Wie funktioniert das Prinzip Selbstführung?
Genauer gefragt: Welche Fragen können im Führungskräfte Coaching zur Selbstorientierung und weiteren Professionalisierung als Führungskraft bearbeitet werden? Als unterstützende Grundlage für die Beantwortung dieser Frage ziehen wir hier die Logischen Ebenen von Robert Dilts heran. Dabei wird Folgendes deutlich: Viele Führungskräfte haben sich bei ihrer bisherigen persönlichen und beruflichen Ausrichtung vor allem an den „äußeren“ Ebenen orientiert:
- Welches Unternehmen will mich als Führungskraft einstellen; was bietet mir dort mein Umfeld? (Umweltebene)
- Was muss ich dafür tun? (Verhaltensebene)
- Welche Qualifikationen muss ich haben? (Fähigkeitsebene)
Bei dem Wunsch nach einer neuen Orientierung als auf die Zukunft gerichtete Führungskraft ist die Antwort eher auf den „inneren“ Ebenen zu suchen. Hierauf ist im Führungkräfte Coaching erfahrungsgemäß zu achten. Denn erst wenn sich persönliche Werthaltungen und Stärken decken und daraus eine sinnvolle, herausfordernde und realistische Perspektive entsteht, entwickelt sich eine neue Qualität. Der Wechsel auf die nächste tiefer liegende Ebene kann Ressourcen aktivieren und Potenziale freisetzen, um Veränderungen in den äußeren Ebenen erleichtern.
Folgt man dem Prinzip der Selbstführung, geht es darum, die eigenen Ansprüche an sich zu formulieren und diese dann mit den Erwartungen anderer abzugleichen (und nicht umgekehrt!). Das ist Selbststeuerung!
Selbstführung Schritt für Schritt
Entlang der Logischen Ebenen von Robert Dilts haben wir Fragen entwickelt mit denen wir im Führungskräfte Coaching Schritt für Schritt die Leitsätze des Coachees ermitteln. Wir beginnen dabei im Zentrum mit den Fragen zur innersten Ebene – der Identität – über mehrere Ebenen hinweg enden mit der äussersten Ebene – der Umwelt. Nachstehend finden Sie die Fragen zu den einzelnen Ebenen sowie ein Arbeitsbeispiel.
Identität und Selbstbild
- Für welches Welt- und Menschenbild stehe ich?
- Was ist meine Vision/Mission als Führungskraft?
- Welches Vermächtnis als für andere Menschen verantwortliche Führungskraft will ich in 50 Jahren hinterlassen haben?
- Wie beschreiben andere mich in meiner Führung?
Werte- und Glaubenssysteme
- Welche Werte, Überzeugungen und Leitideen sind mir wichtig?
- Welche haben sich wie im Laufe der Zeit verändert (welche haben sich verstärkt, welche habe ich vernachlässigt?)
- Welche Erlaubnisse gebe ich mir, welche Beschränkungen erlege ich mir auf und warum?
- Welche Glaubenssätze unterstützen, welche behindern mich bei meinen gewünschten Veränderungen?
Fähigkeiten
- Was sind meine Stärken; welche Qualitäten haben mich bisher erfolgreich gemacht?
- Welche weiteren Stärken will ich mehr einsetzen?
- Welche Qualifikationen habe ich, will sie aber weniger oder gar nicht mehr einsetzen, weil sie nicht (mehr) meinem Selbstbild entsprechen?
Verhalten
- In welchen Bereichen des privaten und beruflichen Lebens verbringe ich wie viel Zeit und investiere Energie? Mit jeweils wie viel Lust und Spaß?
- Wie sorge ich für eine für mich zufriedenstellende Lebensbalance?
Umwelt
- Welches Bild hat die Gesellschaft von Führungskräften?
- Welche Führungspositionen (Linie, Projekt, ehrenamtlich) in welchen Unternehmen/Organisationen mit meinen Werten sind für mich interessant?
- Welche Kontextfaktoren (materiell, Wohnort, Gestaltungsfreiheit…) müssen gewährleistet sein?
Für den Coachee (Führungskraft) ergeben sich Leitsätze als Ergebnis der Arbeit mit den oben genannten Fragen. Etwa, wie in folgendem Beispiel:
- Ich als Führungskraft empfinde es als meine Bestimmung, Menschen zu orientieren, zu begleiten und weiter zu entwickeln (Ebene der Identität)
- Dabei glaube ich an die Wirkung eines situativen Führungsstils (Ebene des Glaubens- und Wertesystems)
- Ich erwerbe meine persönliche, soziale und fachliche Kompetenz durch Seminare/Reflexion/Peergruppen (Ebene der Fähigkeiten)
- Ich achte auf die individuellen Stärken und Ressourcen meiner MitarbeiterInnen und setze sie entsprechend ein (Verhaltensebene)
- Dabei schaue ich genau darauf, wie meine MitarbeiterInnen auf meine Führung reagieren (Umweltebene)
Selbstführung zur Steuerung von Mitarbeitern nutzen
Mit Hilfe des oben genannten Modells von Dilts, wie auch anderer aktivierender Methoden im Führungskräfte Coaching unterstützen wir Führungskräfte dabei, ihre Haltungen, Einstellungen und innere Überzeugungen bewusst(er) zu machen. Durch Anwendung von anerkannten wissenschaftlich gestützten Persönlichkeitsprofilen wie dem Golden Profiler of Personality (GPOP) können sie die eigenen Neigungen, Stärken und Ressourcen konkreter fassen und ein tieferes Selbstbild von und für sich erzeugen.
Je deutlicher die Führungskraft ihre Qualitäten erkennt, umso stärker kann sie sie im Sinne einer proaktiven und wirksamen Selbststeuerung entfalten und sie kraftvoll in die Führung anderer, nämlich seiner Mitarbeitenden, einbringen.
Wenn Sie ein Coaching als Führungskraft in Zeiten des Wandels interessiert und Sie selbstbestimmt Ihre Interessen, Stärken und Netzwerke im Fluss halten wollen, wählen Sie gerne einen Coach aus unserem Pool aus.
Und denken Sie dran: Veränderung ist Leben.
Übrigens: der Artikel ist in ähnlicher Form auch in der Fachzeitschrift “perspektiven” des Verbands DIE FÜHRUNGSKRÄFTE erschienen.
Artikel kostenlos herunterladen (pdf, 1MB) >>
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