von Sabine Bürgermann
Im nachstehenden Vortrag fasst die Autorin die wichtigsten Aspekte zur Burnout Prävention für Führungskräfte zusammen. Sie behandet darin soziale Herausforderungen, die sich uns stellen, die Bedeutung für die Organisationen und schließlich die Bedeutung für die direkten Führungskräfte. Gehalten wurde der Vortrag beim Netzwerk für Seelische Gesundheit und im Rahmen von Führungskräfteseminaren zum Thema Burnout Prävention bei der Beiersdorf AG.
Den Vortrag wurde auf der Website der Autorin veröffentlicht und kann dort heruntergeladen weden. Vielen Dank für die Genehmigung zur Veröffentlichung auf unserer Seite.
Business in Balance
Ein Vortrag von Sabine Bürgermann beim Netzwerk für Seelische Gesundheit und im Rahmen von Führungskräfteseminaren zum Thema Burnout Prävention bei Beiersdorf AG
Dies ist eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte zur Burnout Prävention für Sie als Führungskräfte. Wir werden auf die sozialen Herausforderungen, die sich uns stellen, auf die Bedeutung für Organisationen und schließlich auf die Bedeutung für die direkten Führungskräfte schauen.
Dieser Überblick basiert auf verschiedenen Studien. Einer der bedeutendsten Wissenschaftler ist Prof. Dr. Bernhard Badura. Ich hatte einmal das Vergnügen, einen seiner Vorträge zu hören und ein Gedanke beeindruckt mich noch heute. Er sagte: „Den größten Einfluss auf Ihre Gesundheit haben Ihr Partner und Ihr Chef.“ Was natürlich nicht bedeutet, dass ich persönlich damit die Verantwortung los bin, mich um meine eigene Gesundheit zu kümmern und möglicherweise Konsequenzen zu ziehen, wenn Chef oder Partner diese malträtieren.
Die Frage ist jedoch, wenn Vorgesetzte einen großen Einfluss auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben, warum taucht dann dieses Thema gerade jetzt bzw. erst jetzt so verstärkt auf?
Ich fand die Antwort darauf bei den Sozialwissenschaften. Sozialwissenschaftler sprechen von der “Entgrenzung” in der Arbeitswelt.
Entgrenzung der Arbeit
beschreibt die zunehmende Auflösung von zeitlichen, räumlichen und sachlichen Strukturen betrieblich organisierter Arbeit. Die digitale Technologie erlaubt uns zu arbeiten, wann immer und wo wir wollen – oder müssen.
Als Führungskräfte bei “global playern” haben die meisten von uns Kollegen, die anderswo in der Welt arbeiten. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen und die Menschen müssen mit der Herausforderung permanenter Erreichbarkeit umgehen.
Ein Ergebnis des demographischen Wandels und ein anderer Fall von Entgrenzung ist die Tatsache, dass Menschen heutzutage immer älter werden und ungewiss ist, wann sie in Ruhestand gehen. Die Gesundheit von Mitarbeitern bis ins hohe Alter gewinnt daher einen immer höheren Stellenwert.
Die Beschleunigungsfalle
Ein weiteres Entgrenzungsphänomen ist die sogenannte „Beschleunigungsfalle“ als Folge permanenter Veränderungsprozesse. Dazu später mehr im Zusammen- hang mit den Ergebnissen einer Studie der Universität St. Gallen. Sind wir einmal in der Falle, haben wir das Gefühl, niemals fertig zu sein, niemals hinterher zu kommen und kommen nicht mehr zur Ruhe.
Diese vielen Instabilitäten in der Arbeitswelt verunsichern Menschen und lösen häufig Stress aus, manchmal mit dem Weg ins Burnout.
Menschen haben ein starkes Grundbedürfnis nach Sicherheit und Orientierung. Geht diese Orientierung verloren, entstehen häufig Gefühle von Hilflosigkeit, Überforderung und Stress. Die Gefahr ein Burnout zu entwickeln, steigt. Aufgrund dieses sozialen Wandels und der zunehmenden Entgrenzung lassen sich extreme Orientierungsschwierigkeiten und vermehrte Risiken für die psychische Gesundheit erkennen.
Burnout – ein Risiko für Unternehmen
Burnout ist aber nicht nur ein individuelles Problem, sondern auch ein Risiko für Unternehmen. Einerseits gibt es Mitarbeiter, die krank werden und möglicherweise ein Burnout entwickeln. Andererseits gibt es für Unternehmen große Herausforderungen aufgrund von Absentismus und damit steigenden Kosten.
Dies ist nicht neu, aber gewinnt inzwischen alarmierende Ausmaße. Wir müssen uns also diesen Fakten und Aufgaben stellen.
Eine Studie der Universität St. Gallen weist nach, dass sich 50% der insgesamt
600 befragten Unternehmen in einer Beschleunigungsfalle befinden:
- 86% der Beschäftigten klagen darüber, dass sie nicht genügend Pausen haben
- 80% klagen über ständig wachsenden Zeitdruck
- 60% klagen über ungenügende Ressourcen
Andere Studien bestätigen diese Ergebnisse und zeigen weitere bedeutsame
Stressfaktoren in der Arbeitswelt auf:
- Ständiges Multitasking
- Intensivierung von Arbeitsprozessen
- Häufige Unterbrechungen bei der Arbeit
- Permanenter Zeitdruck
- Das Führungsverhalten des Vorgesetzten
- Permanenter Leistungsdruck.
Betrachten wir die Studie aus St. Gallen, können wir feststellen, dass die betroffenen Unternehmen zwei besondere Merkmale aufweisen:
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Ein permanenter Veränderungsdruck im Unternehmen
Ständiger Wandel bedeutet oft, dass ein Projekt noch nicht beendet ist, während schon das nächste startet.
Prof. Kruse – einer der bekanntesten Changeexperten in Deutschland – spricht von einem Missverhältnis zwischen der Realisierung von Projekten und der Einführung neuer Projekte. Projekte werden angefangen ohne Klärung der Ziele, unsinnige Projekte werden weitergeführt, ein Erfolgsmonitoring findet nicht statt. Das verunsichert, ermüdet und lässt die Arbeitszufriedenheit sinken.
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Mangelnde Wertschätzung und Anerkennung der Mitarbeiter
Mangelnde Wertschätzung ist ein bedeutendes Problem. Unzählige Studien haben gezeigt, dass das Führungsverhalten einen erheblichen Einfluss auf die
Gesundheit der Mitarbeiter hat. Es besteht eine direkte Beziehung zwischen der Art und Weise, wie Mitarbeiter geführt werden, und deren psychischen und physischen Wohlbefinden. Führung ohne Wertschätzung verursacht Stress, und langandauernder Stress bewirkt gesundheitliche Probleme.
Es ist eine große Herausforderung und ein längerfristiger Prozess, eine Kultur der Wertschätzung und Anerkennung zu entwickeln. Wertschätzung der Mitarbeiter ist aber ein zentraler Punkt, wenn wir über Gesundheitsmanagement sprechen.
In der Praxis heißt das, sich dieser Herausforderung zu stellen und Mitarbeitern „gesunde“ Informationen zu geben.
3 Tipps für Führungskräfte
- Das heißt: Seien Sie klar, geben Sie Orientierung und ihren Anforderungen einen Sinn.
- Ermöglichen Sie Ihren Mitarbeitern, dass sie stolz sind auf die von ihnen geleistete Arbeit.
- Befriedigen Sie das Bedürfnis Ihrer Mitarbeiter nach Anerkennung und würdigen Sie deren Leistungen ausdrücklich.
Anerkennung ist übrigens eine sehr preisgünstige und wirksame Ressource. Wundern Sie sich jedoch nicht, wenn Mitarbeiter diese Haltung nicht sofort annehmen können. Es kann nämlich sein, dass wir an einem Mangel an Wertschätzung leiden, doch wenn wir sie bekommen, sind wir zu befangen oder zu argwöhnisch, diese anzunehmen und uns darüber zu freuen.
2030 ist sind wir in Deutschland durchschnittlich 65 Jahre alt
Wir haben in den letzten Jahren viel gelesen und gehört über den demographischen Wandel. Im Jahr 2030 wird der Durchschnitt der Bevölkerung in Deutschland um die 65 Jahre alt sein. Unsere Gesellschaft wird abhängig sein von Beschäftigten, die bis zum Alter von 65 und länger arbeiten können. Für die älteren Mitarbeiter ist es wichtig, dass ihre Arbeitsleistung, die sie erbracht haben, gewürdigt wird. Die Jüngeren vergessen leicht, dass jeder Fortschritt auf den Arbeitsleistungen und den Erfahrungen in der Vergangenheit beruht.
Ich denke, wir brauchen eine Unternehmenskultur, die diesen Zusammenhang herstellen und festigen kann. Neben dem Einfluss der direkten Vorgesetzten gibt es viele unterschiedliche Dinge, die die ganze Organisation tun kann, um Wertschätzung zu zeigen.
Wie läßt sich Wertschätzung umsetzten?
Zum Beispiel können Unternehmen ältere Mitarbeiter als Mentoren für jüngere Mitarbeiter gewinnen.
Oder Unternehmen können die Zusammenarbeit in gemischten Teams fördern. Beide Generationen können voneinander lernen und so voneinander profitieren. Andererseits sind Unternehmen gut positioniert, wenn sie die Bedürfnisse der jüngeren Generation anerkennen, die mehr denn je nach einer Balance von Arbeit und Freizeit strebt. Zudem wählen junge Mitarbeiter ihr Unternehmen oft sehr bewusst aus. Ein entscheidender Faktor hierfür ist häufig die Förderung der Gesundheit aber auch die Sinnhaftigkeit der Aufgaben im Unternehmen.
Um ein umfassendes Gesundheitsmanagement zu implementieren, ist es außerdem notwendig, Präsentismus im Unternehmen zu reduzieren. Präsentismus meint, dass man zu jeder Zeit am Arbeitsplatz präsent ist, trotz psychischer oder physischer Beeinträchtigungen. Es besteht die Gefahr, dass sich der gesundheitliche Zustand verschlechtert und die Qualität und Produktivität beeinflusst wird. Was wiederum zu steigenden Kosten führt.
Mitarbeiter können
- demotiviert oder ausgebrannt sein
- verärgert, enttäuscht oder eingeschüchtert durch ihre Kollegen oder
Vorgesetzten sein
- innerlich gekündigt haben, weil sie die Unternehmenskultur nicht in Übereinstimmung mit ihren eigenen Vorstellungen, Zielen und Erwartungen erleben
- nicht viel Vertrauen in ihre Kollegen oder Vorgesetzten haben
- unter körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen leiden und dies oft nicht erkennen
- private Sorgen haben, ohne dass wir als Führungskräfte dies auf den ersten Blick erkennen.
Prof. Bandura meint dazu: “Bis jetzt wurde im Personalmanagement weitgehend angenommen, dass jeder, der zur Arbeit kommt, gesund ist. Doch das ist ebenso falsch wie die Annahme, dass die, die nicht da sind, krank sind.”
Ein praktisches Beispiel
Wir sollten also aufmerksam gegenüber den Mitarbeitern sein, die gesund oder scheinbar gesund sind.
Wie können wir das erreichen?
Ich kenne ein großes Unternehmen aus der Flugzeugbranche, das ausgewiesene Gesundheitsgespräche eingeführt hat. Diese Form des Mitarbeitergesprächs ist eine gute Möglichkeit, für die Mitarbeiter zu sorgen, die noch nicht gescheitert sind. Dabei liegt die Konzentration darauf, die Bedingungen für gesundes Arbeiten zu verbessern, anstatt Krankheit zu abzuwenden.
Diese Vorgehensweise beruht auf dem Konzept der Salutogenese. Salutogenese wird in der Fachliteratur als die Entstehung von Gesundheit verstanden. Der Begriff Salutogenese wurde im Gegensatz zur Pathogenese (der Entstehung von Krankheit) eingeführt. Aaron Antonovsky, ein israelischer Arzt, beschäftigte das Phänomen, warum manche Menschen auch unter widrigsten Umständen gesund bleiben.
Dieses gesundheits-orientierte Konzept stellt nicht die Frage, wie Krankheit entsteht, sondern ist vielmehr darauf ausgerichtet, was Menschen gesund erhält. Das Ziel oder Anliegen von Führung könnte also darin bestehen zu erkennen, wo die Stärken der Mitarbeiter liegen und wie diese eingesetzt werden können, um eine optimale Leistung zu erreichen.
Ein modernes Gesundheitsmanagement wäre somit Teil des strategischen Managements und versteht unter Gesundheitsfürsorge auch die seelische Gesundheit der Mitarbeiter. Besonders in stürmischen Zeiten und in Zeiten hoher Beschleunigung und Flexibilität geht es um ein salutogenetisches und somit ressourcenorientiertes Verständnis der Organisation.
Mitarbeiter, die sich in ihrer Firma wohl fühlen und die gerne zur Arbeit gehen, sind zufriedener, gesünder und zeigen bessere Leistungen. Dies kann ansteckend für andere Mitarbeiter und sogar Kunden sein.
Den Folgeartikel “Burnout Prävention umsetzen – so gelingt es” lesen >>
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