mit Ines Stade
Ob Familienbetrieb oder Startup: Wenn Unternehmen wachsen, müssen sie ihre Organisationsstruktur optimieren, um authentisches Leadership, Innovationskraft und strategische Fitness zu sichern. Ein Interview mit der Unternehmensberaterin Ines Stade aus Hamburg von Ilona Koglin.
Woran zeigt sich, dass ein Unternehmen seine Organisationsstruktur um- oder neu organisieren muss?
Hier gibt es im Wesentlichen zwei Indikatoren. Im einen Fall gibt es im Unternehmen endlose, kräftezehrende Meetings, ohne dass wichtige Entscheidungen fallen. Die Geschäftsführung muss bei jeder Kleinigkeit selbst die Entscheidung treffen. Oft handelt es sich dabei um ein Unternehmen das aus seiner alten Struktur herausgewachsen ist. Denn ab einer bestimmten Zahl von Mitarbeitern kann man nicht alles direkt und informell klären, etwa beim gemeinsamen abendlichen Pizza-Essen.
Im anderen Fall herrscht Abteilungsdenken, weil die Unternehmensstruktur zu starr ist. Die Bereiche arbeiten dann nicht mehr gemeinsam an guten Lösungen und tragen Informationen nicht mehr weiter, sondern bekämpfen sich gegenseitig.
Was passiert mit der Organisationsstruktur, wenn ein Unternehmen wächst?
Entscheidungen und Umsetzungen kommen häufig nicht mehr in dem Maße vor, wie dies für den Erfolg des Unternehmens wünschenswert oder gar notwendig wäre. Dann muss man optimierte Strukturen schaffen, die den Mitarbeitern und Führungskräften angemessen sind. Handelt es sich zum Beispiel um einen Familienbetrieb, dessen Struktur stark auf den Unternehmer fixiert ist, so muss dieser lernen, viel mehr zu delegieren und abzugeben. Die Geschäftsleitung muss dann vor allem Führungskräfte neben sich aufbauen.
Handelt es sich um ein modernes Unternehmen mit flachen Hierarchien und Entwicklern, die auf einer Ebene zusammenarbeiten, dann braucht es oftmals klarere Kommunikations- und Entscheidungswege.
Welche Bedeutung haben die Führungskräfte bei der Organisationsentwicklung?
Eine wichtige. Um eine neue Organisationsstruktur umzusetzen braucht ein Unternehmen gute Führungskräfte, die die notwendige Kommunikation leiten, der Geschäftsführung zuarbeiten, mit und für ihre Mitarbeiter sinnvoll Entscheidungen treffen und Informationen bündeln können – kurz gesagt: Man braucht eine Führungskräfteentwicklung.
Wie geht so eine Neu- oder Umstrukturierung vor sich? Welche Schritte gibt es?
Der erste Schritt ist die Analyse. Diese kann über Interviews auf allen Hierarchiestufen geschehen oder über Diagnose-Workshops, bei denen Mitarbeiter und Führungskräfte gemeinsam in fünf Schritten feststellen, wo die Probleme genau liegen.
Anhand dieser Analyse entwickeln wir gemeinsam mit dem Unternehmen Vorschläge für Veränderungen. Das bedeutet, dass wir die Ergebnisse mit Teilen der Firma oder mit Einzelnen besprechen, die Organisation so mit in den Lernprozess einbeziehen und als Kenner ihrer Organisation ernst nehmen – denn sie wissen, was aus welchen Gründen in ihrem Unternehmen funktioniert oder nicht. Dieses Wissen muss man unbedingt berücksichtigen und einbeziehen.
An welchen Punkten setzten Sie an bei der Organisationsentwicklung?
Eines der wichtigsten Themen ist das der Führungskräfteentwicklung. Dabei helfen Fragen wie: Wie sieht der Führungsstil des Unternehmens aus? Wer sind die handelnden Personen? Wie gut sind ihre Führungsqualitäten? Und wie entlastet ist die Geschäftsführung?
Wichtig sind zudem die Vision und Strategie. Viele kleine Unternehmen denken oft sehr operativ, sodass hier die strategische Ausrichtung fehlt. Ab einer gewissen Größe reicht das jedoch nicht mehr: Die Führungskräfte müssen viel weiter vorausschauen und sich auf kommende Entwicklungen vorbereiten. Dazu braucht man eine Mannschaft, die sich mit der Vision und Strategie des Unternehmens beschäftigt.
Als viertes ist eine gute Kommunikationsstruktur entscheidend: Wenn Mitarbeiter klagen, dass sie nie Bescheid wissen und sich ihre Informationen regelrecht erkämpfen müssen, dann muss das Unternehmen seinen Fokus auf die Kommunikation legen: Informationen müssen in der Firma weitertransportiert werden, hilfreich-kritische Hinweise von Mitarbeiter dorthin gelangen, wo sie wichtige Weichenstellungen beeinflussen können.
Schließlich ist es immer wichtiger geworden, dass ein Unternehmen eine lernende Organisation ist und sein Change-Management aktiv gestaltet, da die Dynamik der Märkte zugenommen hat: Immer schneller entstehen neue Produkte, neue Konkurrenten segeln an konsolidierten Unternehmen vorbei. Das heißt, jedes Unternehmen muss sein Ohr am Markt und am Kunden haben und in der Lage sein, auf Veränderungen zu reagieren.
Unternehmen brauchen also eine Strategie, wie Change bei ihnen funktioniert. In kleinen Startups ist so etwas schnell besprochen, Motivation und Veränderungsbereitschaft sind in der Regel hoch. Aber je länger eine Firma am Markt ist, desto größer ist die Tendenz an dem festzuhalten, was man bisher erfolgreich gemacht hat. Dann entsteht Wandel nicht mehr automatisch.
Wie lange dauert es, seine Organisationsstruktur zu optimieren?
Ich halte nichts mehr von diesen langen Organisationsentwicklungsprozessen, die mitunter zwei bis fünf Jahre dauern. Heutzutage muss ein Wandel mit Hilfe von Großgruppen- und Beteiligungsprozessen schneller funktionieren. In einem halben bis anderthalb Jahren kann man die wichtigen Kräfte der Organisation zusammenholen und in einem intensiven Prozess gemeinsam Lösungen erarbeiten und umsetzen.
Die Analysephase kann man über einen Diagnose-Workshop mit Vertretern aus allen Ebenen innerhalb von Tagen herausfiltern. Eine Analyse mittels Interviews dauert rund zwei bis vier Wochen. Nach etwa einem bis anderthalb Monaten haben wir gemeinsam mit dem Unternehmen eine Strategie erarbeitet, womit wir beginnen möchten, welche Schritte als erstes notwendig sind und beginnen, diese umzusetzen.
Wie erhält ein Unternehmen auf Dauer seine strategische Fitness?
Beim Thema Führungskräfteentwicklung sollten alle Führungskräfte im Unternehmen eine gemeinsame Basis entwickeln. Ist nach einiger Zeit ein Standard erreicht, sollten die Führungskräfte ihre Kompetenz hinsichtlich neuer Entwicklungen und Themen in ein bis zwei Fortbildungen pro Jahr auffrischen. Ähnlich sieht es bei der Kommunikationsstruktur aus: Funktioniert sie gut und enthält selbstlernende Organisationselemente, kann man darauf vertrauen, dass sie sich immer wieder selbst schärft. Auch das Change-Management kann ein Unternehmen selbst gestalten, wenn es erst einmal mehrere Veränderungsprozesse erlebt und dafür gute Strukturen aufgebaut hat.
Anders ist dies bei der Entwicklung von Vision und Strategie. Früher entwickelten Unternehmen ihre Vision für die nächsten zehn Jahre, überarbeiteten alle zwei Jahre ihre strategischen Schritte und freuten sich, wenn sie nach zehn Jahren in der Nähe ihrer Vision landeten. Heute braucht ein Unternehmen mehr strategische Fitness: Es muss regelmäßig und in kurzen Abständen überprüfen, ob die Richtung, in die es geht, noch die richtige ist.
Welche positiven Effekte hat eine neue Organisationsstruktur für das Unternehmen?
So eine Um- und Neustrukturierung zeigt sich natürlich in einer erhöhten Effizienz: Zehn bis zwanzig Prozent können sich nach mehreren Monaten bis einem Jahr schon zeigen. Die Mitarbeiter sind motivierter, sie arbeiten engagierter – auch mit dem Kunden. Leadership entsteht, also Führung von Persönlichkeiten, die sich reflektieren. Das soziale Miteinander in der Firma wird besser, die Unternehmenskultur ebenfalls.
Und natürlich hat eine agile und moderne Unternehmensorganisation auch eine positive Wirkung nach außen. Wobei man sagen muss, dass ein positives Image in der Regel zwei bis drei Jahre nachwirkt – selbst wenn das Unternehmen ihm gar nicht mehr gerecht wird. Umgekehrt dauert es jedoch zirka fünf bis zehn Jahre, bis man sich ein positives Image wieder erarbeitetet hat, wenn man es erst einmal verloren hat. Unternehmen sollten also rechtzeitig an einer Strategie arbeiten und diese von Innen heraus leben.
Was sollte ein Unternehmen bei der Wahl eines Dienstleisters beachten?
Optimal ist es, wenn der Berater alle fünf Themenbereiche „Führungskräfteentwicklung“, „Vision und Strategie“, „Kommunikation“ und „Change“ abdeckt, um bei der Diagnose einen offenen Blick dafür zu haben, was die Firma tatsächlich braucht.
Wir selbst haben dazu eine lernende Struktur in unserem Unternehmen geschaffen, wie wir das ja auch unseren Kunden bieten. Das heißt zum einen, dass wir innerhalb unseres Teams eine strategisch breite Streuung haben. Zum anderen lernen wir von- und miteinander, was auch das tiefe Wissen davon beinhaltet, was der andere kann. So können wir – wenn die Anforderungen klar sind – sehr schnell klären, wer was macht.
Außerdem sollten Unternehmen darauf achten, dass der Berater Überlegungen für Lösungen gemeinsam mit ihm anstellt – und zwar idealerweise nicht nur mit der Geschäftsführung, sondern auch mit Vertretern anderer Hierarchieebenen. Kleine und mittlere Unternehmen, die keine eigene Personalentwicklung haben, können sich so das Know-How für ihre Organisationsentwicklung gut ins Haus holen. Doch auch Unternehmen mit einer internen Personalentwicklung sollten den erfrischenden Blick von außen mit einer neuen Perspektive immer mal wieder nutzen.
Neueste Kommentare